Es gibt Ereignisse, die brennen sich einfach in das Gedächtnis ein. Der erste Kuss. Der Mauerfall. Und natürlich die legendäre Erdbeerschlacht in der Ostkaufhalle von Bautzen auf der Becher Straße.
Es gab Zeiten in der Deutschen Demokratischen Republik, in der ein Einkauf nicht nur eine banale Alltagsaufgabe war, sondern auch ein Abenteuer. Ein Krimi. Ein Gladiatorenkampf im Schatten der Obst- und Gemüseregale.
Denn wer keinen eigenen Schrebergarten hatte, war den Launen der Handelsorganisation ausgeliefert. Und wenn es dann hieß, dass frische Erdbeeren eingetroffen waren, setzte wie bei Bananen oft ein unkontrollierbarer Reflex ein.
An jenem schicksalhaften Tag, ich stand da als kleiner Bube in kurzen Hosen, wurde die begehrte Palette mit Erdbeeren in der Mitte der Kaufhalle platziert. Der Fehler, wie sich zeigte. Ein einziges falsches Signal und es kam, wie es kommen musste.
Die Massen stürmten los.
Es wurde gedrängelt, gezerrt und geschubst. Stützstrümpfe gaben nach, Einkaufsnetze wurden zur Waffe, und in den Augen der Beteiligten blitzte die Entschlossenheit von Kriegshelden.
Und mitten im Getümmel?
Eine gebrechliche alte Dame, bewaffnet mit einem Gehstock und einer Zielstrebigkeit, die ihresgleichen suchte. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft hat, aber plötzlich hielt sie ihn hoch, ihren hart erkämpften Erdbeerkorb. Die Schlacht war gewonnen.
Ihr Blick war eine Mischung aus Triumph, Wahnsinn und purer Glückseligkeit und er hat mich bis heute verfolgt.
Heute schlendern wir durch die Supermärkte mit überquellenden Regalen. Erdbeeren gibt es das ganze Jahr und doch fehlt etwas. Die Spannung. Der Nervenkitzel. Der Geschmack des Sieges.
Vielleicht sollte ich beim nächsten Einkauf mal testweise brüllen: „Erdbeeren, nur solange der Vorrat reicht!“.
Mal sehen, ob noch Kampfgeist in den Leuten steckt. 😉
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